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29.11.2014

Debatte um „Pille danach“: Europäische Arzneimittel-Agentur empfiehlt rezeptfreie Abgabe - Bundesgesundheitsminister Gröhe knickt ein

In der Debatte um die sogenannte "Pille danach" als "Notfallverhütung" ohne Rezept zeichnet sich offenbar eine Wende ab. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat sich in einer am 21.11.14 veröffentlichten Empfehlung für die rezeptfreie Abgabe der "Pille danach" mit dem Wirkstoff Ulipristal ausgesprochen.

Konkret betrifft die Empfehlung das Präparat "ellaOne", dessen Hersteller eigens eine Freigabe beantragt hatten. Die endgültige Entscheidung liegt jedoch bei der Europäischen Kommission, diese hält sich in der Regel aber an das EMA-Votum. Danach müssten die Mitgliedsländer die Entscheidung umsetzen. Das würde dann auch für Deutschland gelten.

SPD: Koalition wird sich schnell auf rezeptfreie "Pille danach" einigen

Vor diesem Hintergrund haben Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Unionsexperte Jens Spahn, beide CDU, erkennen lassen, dass sie nicht länger an einer Rezeptpflicht für die nachträglichen Verhütungsmittel festhalten wollen. Dafür müsse es aber in den Apotheken verpflichtende "strukturierte Beratung mit Beratungsbogen wie in der Schweiz" geben, forderte Spahn laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels vom 27.11.14. Zudem müssten Minderjährige, um die Kosten von den Kassen erstattet zu bekommen, für die "Pille danach" weiterhin ein Rezept vorlegen. Gröhe hatte sich zuvor lange gegen die Abschaffung der Rezeptpflicht für die hochdosierte Hormonpille ausgesprochen.

Laut dem SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach zeichne sich nach dem Einlenken der Union infolge der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur in der Koalition nun eine schnelle Einigung in der seit längerem geführten Debatte ab. "Die Schlacht ist geschlagen", so Lauterbach gegenüber dem Tagesspiegel. Die Vorschläge von Gröhe und Spahn seien konsensfähig und "ein gangbarer Weg", sagte Lauterbach.

Erfreut zeigten sich auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, und die zuständige Berichterstatterin, Mechthild Rawert. "Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt, dass Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe seine bisher strikt ablehnende Haltung zur Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva ändert. Damit passt er sich der Haltung derjenigen an, die schon immer der Meinung waren: Frauen können selbst entscheiden! Endlich setzen sich die seit Jahren vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse durch und siegen über ideologische Vorbehalte", erklärten die beiden SPD-Frauen in einer Pressemitteilung vom 26.11.14

Die SPD-Bundestagsfraktion sei der Auffassung, dass Frauen die "Pille danach" auch ohne ärztliche Verschreibung sicher und effektiv anwenden. Sie forderten zudem, auch das Präparat "Pidana" auf Levonorgestrelbasis ebenfalls rezeptfrei abzugeben. Der Wirkstoff sei "gut erforscht und auch preiswerter". Sie verweisen darauf, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte, eine nachgeordnete Einrichtung des Bundesgesundheitsministeriums, die Rezeptfreiheit für die Pille danach auf LNG-Basis schon 2003 gefordert habe.

Kritik von Lebensrechtsverbänden

Unterdessen forderte die stellvertretende Bundesvorsitzende der "Aktion Lebensrecht für Alle" e.V. (ALfA) Alexandra Linder, in einem auf kath.net veröffentlichten offenen Brief vom 28.11.14 Bundesgesundheitsminister Gröhe auf "der rezeptfreien Vergabe der Pille danach keinesfalls zuzustimmen."

Zur Begründung führte Sie drei Punkte an: Erstens sei in vielen Fällen die Vergabe der Pille danach nicht notwendig. Der Zyklustag könne mittlerweile sehr genau bestimmt werden, allerdings nur dann, wenn dies unter ärztlicher Aufsicht geschehe. "Zum Schutz der Gesundheit gerade von jungen Frauen ist daher die ärztliche Prüfung, ob diese hohe Hormongabe überhaupt angebracht ist, sehr wichtig", so Linder. Zweitens haben die beiden Wirkstoffe Ulipristalacetat und LNG neben einer verhütenden auch eine frühabtreibende Wirkung, weil sie interzeptiv wirken. "Die Umdefinition des Begriffes Mensch und Schwangerschaft ändert an dieser Tatsache nichts", gibt die stellvertretende ALfA-Bundesvorsitzende zu bedenken.

Zudem seien in keinem Staat, wo die Pille danach rezeptfrei vergeben wird, die Abtreibungszahlen wirklich gesunken, zum Teil (Großbritannien, Schweden, Niederlande, Belgien, USA) würden sie sogar steigen bzw. trotz sinkender Bevölkerungszahlen auf sehr hohem Niveau bleiben. Dieses Argument sei also in keiner Weise stichhaltig. Zu beobachten sei in diesen Staaten auch, dass eine "Spätverhütungsmentalität" entsteht bzw. sich verstärke, wobei die Grenze zwischen der Pille danach und der Abtreibungspille RU 486 mehr und mehr verwischt werde. "Gesellschaftlich bedeutet das zum einen eine immer vernachlässigendere Sicht auf den Ursprung und Beginn des Lebens, sprich der menschlichen Person, zum anderen eine Mentalität, die Sexualität für jederzeit folgenlos machbar hält, was weder für die menschliche Person noch für die Gesundheit der Betroffenen (u.a. sexuell übertragbare Krankheiten) einen Positivfaktor darstellt", heißt es abschließend zur Begründung für die Forderung einer Beibehaltung der Rezeptpflicht.

Auch die Christdemokraten für das Leben CDL haben bereits 2013 und auch danach deutlich Stellung zur "Pille danach" bezogen und fordern nachdrücklich eine Beibehaltung der Rezeptpflicht. Mehr dazu in unserer aktuellen Pressemitteilung vom 02.12.14 und in der CDL-Themen-Rubrik "Pille danach". Dort finden Sie auch Hintergrundinfos zum Stand der bisherigen Debatte im Bundestag.

Ergänzende Informationen:

Presseschau

Nachfolgend finden Sie eine kleine Presseschau zur Empfehlung der EMA zur Freigabe der "Pille danach". Die Kommentare in den Leitmedien, zu denen man auch Leserbriefe schreiben kann, spiegeln dabei nicht die Haltung der CDL wieder.

Notfallkontrazeption: EMA für Rezeptfreiheit von Ulipristal
London – Die „Pille danach“ ellaOne könnte künftig rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sein.
AERZTEBLATT.DE 21.11.14

Notfallkontrazeption: EMA will Ulipristal freigeben
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat sich dafür ausgesprochen, das Ulipristalacetat-haltige Notfallkontrazeptivum ellaOne® aus der Verschreibungspflicht zu entlassen.
PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG 21.11.14

Kippt Gröhe um?
Streit um "Pille danach"
Ärzte Zeitung online, 24.11.14

Pille danach: Kurswechsel im Ministerium
PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG 24.11.14

Diskussion um die ‚Pille danach“: Apotheker gewährleisten größtmögliche Arzneimittelsicherheit
Die ‚Pille danach‘ mit dem Wirkstoff Ulipristal könnte bald rezeptfrei in deutschen Apotheken erhältlich sein.
PRESSEMITTEILUNG ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände 25.11.14

Notfallverhütung: EU-Behörde will Pille danach freigeben
Es könnte die Pille danach in Deutschland bald rezeptfrei geben - gegen den Willen der Bundesregierung.
SPIEGEL Online 25.11.14

Notfallkontrazeption: EMA will Ulipristal freigeben
Von Annette Mende und Stephanie Schersch
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat sich dafür ausgesprochen, das Ulipristalacetat-haltige Notfallkontrazeptivum ellaOne® aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Wenn die EU-Kommission diese Empfehlung annimmt, gilt das auch für Deutschland.
PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG Ausgabe 48/2014 26.11.14

EU will „Pille danach“ ohne Rezept
Die „Pille danach“ könnte es bald auch in Deutschland rezeptfrei geben.
TAZ 26.11.14

Europa zwingt Gröhe zum Umdenken
„Pille danach“ bald rezeptfrei
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA spricht sich für einen rezeptfreien Verkauf der „Pille danach“ in Deutschland aus.
KÖLNER STADT-ANZEIGER 26.11.14

Pille danach gibt es schon bald rezeptfrei
ZEIT Online 26.11.14

Pille danach: SPD drängt auf Freigabe
Die SPD drängt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu einer schnellen Freigabe der Pille danach.
PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG 26.11.14

Pille danach: SPD-Frauen begrüßen Kurswechsel von Gröhe
Ärzte Zeitung online, 26.11.14

Pille danach endlich rezeptfrei
Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin und Mechthild Rawert, zuständige Berichterstatterin:
PRESSEMITTEILUNG Hilde Mattheis und Mechthild Rawert, MdB SPD 26.11.14

Pille danach: Gröhe kommt endlich zur Vernunft
Martina Stamm-Fibich, gesundheitspolitische Sprecherin der Landesgruppe Bayern in der SPD-Bundestagsfraktion, begrüßt den Kurswechsel von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in der Diskussion um die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach”, kritisiert ihn aber als unzureichend.
MITTEILUNG Martina Stamm-Fibich, MDB SPD 26.11.14

Vorstoß der EU: "Pille danach" schon bald rezeptfrei?
FOCUS-Online 26.11.14

"Pille danach" wird rezeptfrei
Koalition einigt sich
von Rainer Woratschka
Der Gang zum Arzt für eine "Pille danach" wird nach Informationen des Tagesspiegels schon bald der Vergangenheit angehören. SPD und CDU einigten sich auf eine Abschaffung der Rezeptpflicht.
TAGESSPIEGEL 26.11.14

Der Ärztelobby zum Trotz
Pille danach ohne Rezept
Kommentar von Ulrike Winkelmann, Deutschlandfunk
Die Große Koalition könnte die "Pille danach" bald rezeptfrei machen.
DEUTSCHLANDFUNK 26.11.14

Rezeptfreiheit für die "Pille danach": Notfall-Verhütung wird erleichtert
Frauen können künftig auch in Deutschland die "Pille danach" erhalten, ohne vorher einen Arzt aufzusuchen. Ab wann gilt das, gibt es Nebenwirkungen und wie wirkt sich das auf das Sexualverhalten aus?
Von Berit Uhlmann
SUDDEUTSCHE.DE 26.11.14

EU-Behörde will "Pille danach" rezeptfrei machen
WELT Online 26.11.14

"Pille danach": Ein Schritt in Richtung Vernunft
Die Union und ihr Gesundheitsminister wollten die Pille danach unbedingt verhindern. Doch Brüssel hat die verqueren Moralvorstellungen der Partei durchkreuzt: Frauen müssen sich nicht länger bevormunden lassen.
Kommentar von Guido Bohsem
SUEDDEUTSCHE.DE 26.11.14

Umstrittene Verhütungsmethode: Was die Freigabe der "Pille danach" bedeutet
von Jana Schlütter und Rainer Woratschka
In Europa soll die „Pille danach“ künftig rezeptfrei in Apotheken erhältlich sein.
TAGESSPIEGEL 27.11.14

Bischof Jaschke mahnt zur Vorsicht im Umgang mit «Pille danach»
KATH.NET 27.11.14

"Herr Gröhe, bleiben Sie dem Leben treu!"
Keine „Abortion to go“! BVL-Vorsitzender Martin Lohmann appelliert im Streit um die „Pille danach“ an den Gesundheitsminister, „keine fatale Fehlentscheidung zu treffen“.
KATH.NET 02.12.14